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Das kleine Haus hinter dem Deich Erzählung und Zeichnungen von Monika Grundei (Leseprobe)
Die Geschichte dieses kleinen Hauses und ihrer Bewohner könnte für viele im Landkreis, ja in unserem Land überhaupt, stehen. Hier steht das Handeln dieser Menschen stellvertretend für ihr Dorf.
Ich bin der Überzeugung, daß auf vielen Höfen Menschen ähnliches erlebt haben und gerade deshalb bin ich der Auffassung, daß es niedergeschrieben werden sollte.
Die nachfolgenden Kapitel möchten Ihnen an Hand einer Familie zeigen, was die Worte Hilfsbereitschaft, Mitgefühl, Geborgenheit aber auch Unverständnis und Haß bedeuten. All das nämlich erfahren die sechs Hauptpersonen am eigenen Leib, doch die Liebe überwiegt und weil das so ist, gelten diese Zeilen als Dank für HERRN UND FRAU GÖDECKE in ihrem kleinen reetgedeckten Haus.
Der Wind packte mich von vorn, als ich die Stadt verließ und mein Rad auf den Deich lenkte, auf dem ich in das kleine Dorf fahren wollte, das etwa drei Kilometer von der Kleinstadt entfernt liegt, in der ich nun schon seit 19 Jahren lebte. Nur ein paarmal im Jahr fuhr ich diese Strecke, weil ich meistens mit dem Auto unterwegs war, der Deich für diese Art Beförderungsmittel aber gesperrt ist.
Die Wiesen rechts vom Deich waren wochenlang überschwemmt. Nun lief das Wasser ab, und ein Geruch von verfaultem Gras und Modder wehte herüber. Ich sog ihn ganz bewuß ein; denn er erinnerte mich an meine Kindheit, in der ich bei ablaufendem Wasser mit einem Floß aus Kanistern durch die Gräben schipperte und mit Gummistiefeln durch die modrigen Wiesen stapfte.
Mein Blick ging weit über die Wiesen bis zur Luhebrücke. Hier war die Landschaft noch so wie vor 40 Jahren. Nichts schien sich verändert zu haben. Ich hatte mit dem Wind zu kämpfen, aber gerade das machte mich frei.
Ich stemmte mich gegen die Naturgewalten, denen der Mensch keinen Einhalt gebieten kann. Das war schon immer so, und es wird so bleiben, dachte ich, und mir kam ein Lied in den Sinn, in dem es heißt:"... frei wie ein Vogel im Wind." Wir Menschen sind längst nicht mehr frei, können nicht mehr tun, was wir möchten, sind Gefangene unrer Pflichten und unseres Prestigedenkens.
Frei wie ein Vogel im Wind - wann sind wir das noch? Vielleicht in einem Augenblick wie diesem, in dem ich mich gerade befand? Meine Gedanken waren weit abgeschweift von dem, was ich sah. .....................
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